An der Fähre-Grenzstelle Friedrichshafen haben sich im letzten Jahr die Ausfuhrscheine verdoppelt, und die Bodensee-Schifffahrts-Betriebe verzeichnen steigende Verkaufszahlen. Das heißt: Die Schweizer haben nun neben Konstanz auch Friedrichshafen als Einkaufsdestination entdeckt.
An der kleinen Zollstelle der Fähre Friedrichshafen wurden letztes Jahr rund 20 000 Ausfuhrscheine ausgestellt – im Jahr 2010 waren es rund die Hälfte. «Unser Wachstum ist im Vergleich zu den großen Grenzstellen wie Lörrach, Singen oder Konstanz kaum der Rede wert», sagt Horgen Kohlmann vom Ulmer Zollbetrieb, denn die Großen rechneten mit Anstiegen im Millionenbereich. «Bei uns ist die Schlange vor dem Stempelschalter nicht viel länger als vor dem Euro-Zerfall – wenn man überhaupt von einer Schlange sprechen kann.»
Grund für die beschaulichere und gemächlichere Gangart im Gegensatz zu Konstanz ist die geographische Lage. Kohlmann: «Mit der Fähre ist der Schweizer Tourismusverkehr ein ganz anderer als bei Landesgrenzen wie Konstanz oder Singen.» Die Einkaufstouristen führen dort mit dem Auto auf die deutsche Seite, füllten den Kofferraum und machten sich dann auf den Rückweg.
In Friedrichshafen selbst will man nicht viel vom großen Einkaufsboom gemerkt haben. Der Inhalt der Plastiksäcke von Fährtouristen gebe ein Bild davon: Früchte oder einzelne Kleider und Drogerieartikel. Gewerbetreibende in Friedrichshafen wollen nur während der Messezeit von Umsatzanstiegen wissen. Immerhin verzeichneten die Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB) im letzten Jahr einen Passagierzuwachs von neun Prozent: «Sicherlich ist der Zuwachs auch bedingt durch die Frankenstärke», sagt Carolin Winkler von den BSB.
Fragt man die Fährenpassagiere nach dem Grund ihrer Reise nach Friedrichshafen, so tönt es überall ähnlich: Es sei schönes Wetter, Friedrichshafen ein tolles Ausflugsziel, man treffe Verwandte drüben, und die Gastronomie sei vom Preis-Leistungs-Angebot her sowieso unschlagbar. «Natürlich bummeln wir auch durch die Innenstadt», sagt Bernadette Siegenthaler. Gelegenheitskäufe gebe es schon, ist auch der Tenor vieler Mitpassagiere, aber speziell zum Shoppen nach Friedrichshafen gehe man kaum.
«Unsere Besucher aus der Schweizer Nachbarschaft sind oft ältere Leute oder Familien, speziell während der Ferien», sagt Thomas Goldschmidt, Marketingleiter der Stadt Friedrichshafen. Die Anzahl Touristen von «drüben» hänge auch vom Wetter ab. Das stimme, sagt auch BSB-Pressesprecherin Winkler. «Gerade bei schönem Wetter verzeichnen alle unsere Schiffe einen Anstieg der Billettverkäufe.»
Friedrichshafen hat im letzten Jahr die Werbetrommel gerührt. «Wir bewerben gezielt Romanshorn und die anliegenden Ortschaften», sagt Goldschmidt. Auch Winkler von den BSB bemerkt die stärkere Marketingstrategie. So werden die Messen stärker beworben, die touristischen Ziele wie das Ravensburger Spieleland oder die günstigen Flugpreise ab dem Flughafen Friedrichshafen
(Bettina Degen/St. Galler Tagblatt v. 16.07.12)