Vor 75 Jahren: Eine Brücke über den See

Ein besonderer Jahrestag steht an: Am 30. September vor 75 Jahren ist die erste Fähre zwischen Konstanz und Meersburg verkehrt.

An jenem Tag im Jahr 1928 nahm die Fähre „Konstanz“, die 1930 in „Meersburg“ umbenannt werden sollte und heute unter der neuen Rheinbrücke der Instandsetzung entgegen sieht, ihren Dienstbetrieb zwischen Konstanz-Staad und Meersburg auf.

Jetzt erst hatte der für die Technischen Werke zuständige sozialdemokratische Bürgermeister Fritz Arnold (1883-1950) Grund, sich im Sessel seines Dienstzimmers zurückzulehnen und seinen Erfolg zu genießen. Hatte er doch erreicht, dass das wirtschaftlich für Konstanz so wichtige nördliche Hinterland des Bodensees verkehrstechnisch erschlossen war und die Menschen des Linzgaus problemlos zum Einkauf in die Stadt kommen konnten.

Kritische Stimmen hatten die Investitionen für die Fähre als viel zu hoch erachtet. Trotz dieser Widerstände sollte auf der Grundlage positiver Abstimmungen im Konstanzer Gemeinderat und Bürgerausschuss bald schon das erste Fährschiff verkehren. Es war dem Einsatz des Meersburger Bürgermeisters Karl Moll zu verdanken, dass seine Stadt — und nicht Unteruhldingen — mit dem gegenüberliegenden Fährhafen bedacht wurden.

Aufgrund der lang andauernden Auseinandersetzungen verwundert es wenig, dass der Fährbetrieb im September 1928 ohne große Feierlichkeiten aufgenommen wurde. Bereits am ersten Tag wurden 57 Personenwagen, 22 Motorräder und 548 Menschen befördert. Diese Zahlen stiegen rasch und ließen das Projekt Fähre zu einem wirtschaftlichen Erfolg werden. Im Betriebsjahr 1929 wurden statt der kalkulierten 12.000 rund 48.000 Autos und Nutzfahrzeuge transportiert, anstelle der vermuteten 50.000 Menschen hatte sich 360.000 über den See befördern lassen. Kritiker und Zweifler verstummten rasch. Schon im Sommer 1929 wurde der Bau der „Konstanz“, eines weiteren Fährschiffes genehmigt. Wiederum wurde es auf der Bodan-Werft in Kressbronn gebaut und 1930 in Dienst gestellt.

Unmittelbar vor Entfesselung des Zweiten Weltkriegs wurde das dritte Fährschiff, die „Bodan“ (nachmals „Meersburg“), in Dienst gestellt. Doch der Krieg lähmte den prosperierenden Fährbetrieb zusehends. Treibstoff wurde rationiert, der Fremdenverkehr ging zurück.

Die Kriegsmarine beschlagnahmte die beiden Fährschiffe „Konstanz“ und „Bodan“ und setzte sie für ein Sperrversuchskommando der Kriegsmarine auf dem Bodensee ein. Allein die kleinste und älteste Fähre, die „Meersburg“, hielt den Fährbetrieb bis Frühjahr 1944 aufrecht. Dann wurde auch sie dem Sperrversuchskommando im Austausch für die „Konstanz“ übergeben. Mit letztgenannter Fähre wurde bis Kriegsende gefahren.

Kampflos besetzten Einheiten der Ersten Französischen Armee des Generals Jean de Lattre de Tassigny am 26. April 1945 das unzerstörte Konstanz. Ab Juli 1945 wurde der Fährbetrieb wieder aufgenommen — aufgrund des allgemeinen Treibstoffmangels mit lediglich vier Fahrten pro Tag, zwei in jede Richtung. Doch für die Konstanzer Bevölkerung wurden sie bald lebens- und überlebensnotwendig. Der Nahrungsmittelmangel zwang die städtische Bevölkerung zu so genannten Hamsterfahrten in den ländlichen Linzgau.

Ab 1949 wurden schließlich wieder alle drei Schiffe eingesetzt. Der wirtschaftliche Aufschwung, der durch die Währungsreform vom Juni 1948 erst richtig an Fahrt gewann, wirkte sich positiv auf den Fährbetrieb aus. Der Tourismus und damit vor allem der automobile Verkehr nahm in einem bis dahin noch nicht gekannten Maße zu. Die Stadt Konstanz reagierte darauf mit der Anschaffung weiterer Fährschiffe, der „Linzgau“ (1952), der „Thurgau“ (1954) und der „Hegau“ (1957).

Zugleich wurden die veralteten Fährhäfen in Meersburg und Staad grundlegend modernisiert und erweitert, um künftig Warteschlangen zu vermeiden.

Im Zeichen eines rasanten Wiederauf- und Ausbaus der Infrastruktur und der Verkehrswege schien die Fährverbindung nicht die einzig möglich technische Variante zu sein. Trotz des wirtschaftlichen Erfolgs des Unternehmens wurden daher bis in die 1960er-Jahre hinein auch andere Verkehrsprojekte vorgeschlagen: Der Bau einer Brücke oder gar eines Tunnels zwischen Meersburg und Konstanz waren im Gespräch. Der unreflektierte Fortschrittsoptimismus hatte seinen Höhepunkt erreicht — verwirklicht wurde keiner der Pläne.

(Schwäbische Zeitung v. 05.09.03)
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