Auch mit 50 Jahren noch zeitlos rank und schlank

Das Ersatzschiff für den letzten Dampfer "Stadt Überlingen" wurde 1964 in Dienst gestellt

Als sich am 15. September 1963 der Raddampfer "Stadt Überlingen" nach nur 34 Betriebsjahren vom Bodensee verabschiedete, hatte auf der Bodanwerft in Kressbronn der Bau des Ersatzschiffes schon begonnen. Stadtväter und Bevölkerung der ehemaligen Freien Reichsstadt hatten sich wieder eine "Überlingen" gewünscht, aber die damalige Deutsche Bundesbahn hatte sich längst für den Namen „Konstanz“ entschieden. Seit der Stilllegung des Raddampfers "Stadt Konstanz" im Jahre 1936, war dieser Namen keinem Schiff der „Weißen Flotte“ mehr verliehen worden. Eigentlich hätte ein für 1940 geplanter Neubau diesen Namen erhalten sollen, der aber kriegsbedingt nicht mehr fertiggestellt wurde.

Zusammen mit den Motorschiffen „Stuttgart“ und „München“, hat auch die „Konstanz“ das Erscheinungsbild der „Weißen Flotte“ innerhalb der vergangenen 50 Jahre entscheidend mitgeprägt. Die „Konstanz“ unterscheidet sich von den beiden Vorgängern durch eine etwas kleiner dimensionierte Zweideck-Bauweise. Zahlreiche Seeanwohner waren überrascht, dass die „Konstanz“ nicht wie die beiden Vorgänger als Dreideckschiff gebaut wurde. Die Deutsche Bundesbahn verfolgte mit dieser Einheit ein neues Einsatzkonzept für den Ausflugs- und Charterverkehr, weshalb die „Konstanz“ nur für 700 Personen zugelassen wurde. Der feierliche Taufakt fand am 24. Mai 1964 bei strahlendem Frühlingswetter im Konstanzer Hafen statt. Das neue Schiff beeindruckte durch seine moderne, sachliche Eleganz und einer komfortablen Innenausstattung. Den Salon I. Klasse schmückte als Patengeschenk ein Ölgemälde des Konstanzer Hafens der Malerin Ella Gottlieb. Als die Sektflasche am Bugschanzkleid zerschellte und der Namen enthüllt wurde, sang der Mädchenchor des Maria-Ellenrieder-Gymnasiums das Constantia-Lied des 1947 verstorbenen Erzbischofs Conrad Gröber. In seiner Festrede erwähnte das damalige Stadtoberhaupt, Oberbürgermeister Dr. Bruno Helmle, dass mit diesem neuen und schmucken Schiff die gemütvolle Zeit der Raddampfer endgültig der Vergangenheit angehöre. So mancher Anwesende warf bei diesen Worten einen wehmütigen Blick auf die inzwischen ausgemusterte „Stadt Überlingen“, die mit abmontierten Namenszügen  am „Kohlenbrückle“ auf das unvermeidliche Ende wartete. Enttäuscht waren auch die Überlinger, als dieser Namen dem aus dem Jahre 1927 stammenden Motorschiff „Höri“ verliehen wurde. Im Spätsommer machten einige Einheimische ihrem Ärger Luft, als sie in einer Nacht- und Nebelaktion mehrere Buchstaben des Namenszuges abmontierten, sodass aus dem im Mantelhafen abgestellten Schiff eine „Berlin“ wurde! In diesen Maitagen des Jahres 1964 wurden noch zwei weitere Schiffe umbenannt. Aus der 34 Jahre alten „Schienerberg“ wurde die „Meersburg“ und aus der 1958 in Dienst gestellten „Grünten“ die „Lindau“. Von diesen drei Schiffen hat nur die „Überlingen“ ex „Höri“ überlebt. Das Schiff wurde 1968 ausgemustert und dient nach mehrfachem Besitzerwechsel auf der Uferböschung des Alten Rheins bei Gaissau unter der Bezeichnung „Hu Bien“ als chinesisches Restaurant. Noch gab es 1964 im Bereich des Bodensees drei Dampfschiffe, aber ihre Stilllegung war nur eine Frage der Zeit. Der damals vorherrschende Fortschrittsglaube forderte seinen Tribut. Die Wertschätzung für die Ingenieurskunst vergangener Tage, im Rahmen der „Nostalgiewelle“, kam am Bodensee viel zu spät.

Schon wenige Tage nach der Jungfernfahrt, wurde die „Konstanz“ dem Linienverkehr auf dem Ober- und Überlingersee zugeteilt. Unterdessen hofften die Lindauer noch immer auf eine Verlegung der „München“. Entgegen aller Erwartungen war das 1962 in Dienst gestellte Schiff in Konstanz stationiert worden. Die Bundesbahndirektion Karlsruhe schien schon geneigt, dem Drängen des Lindauer Oberbürgermeisters Steurer nachzugeben, als sich sein Konstanzer Amtskollege Dr. Bruno Helmle einschaltete. Helmle setzte sich nachhaltig für einen Verbleib der „München“ als wichtigen Bestandteil der touristischen Infrastruktur in Konstanz ein und drohte sogar, notfalls das Verkehrsministerium in Bonn einzuschalten.

Mehr oder weniger als „Trostpflaster“, wurde deshalb im Mai 1965 die „Konstanz“ nach Lindau verlegt. Im Gegenzug erhielt der Hafen Konstanz das inzwischen 30 Jahre alt gewordene, bisherige bayerische Flaggschiff „Deutschland“. Dieser Schiffstausch konnte die Lindauer allerdings nicht versöhnen, denn die imposante „Deutschland“ bildete zusammen mit der „Allgäu“ drei Jahrzehnte lang das maritime Wahrzeichen im Hafen der Inselstadt. Ein Gegenargument der Bodensee-Schiffsbetriebe, dass sich die „Deutschland“ als Dreideck-Motorschiff für den Überlingersee wesentlich besser eignen würde als die „Konstanz“, konnte den Unmut der Lindauer nie ganz entkräften.

Nach genau einem Jahr war aus dem Konstanzer Patenschiff eine „Lindauerin“ geworden. Im Laufe der Zeit begannen sich die Wogen zu glätten. Ein weiterer Vorschlag, die Namen der „München“ und der „Konstanz“ auszutauschen, wurde als „unseemännische Aktion“ abgelehnt. Damit wurde dieser Streitpunkt endgültig zu den Akten gelegt. Für den Ausflugsverkehr ab Lindau erwies sich die „Konstanz“ als vielseitig verwendbar. Das Schiff eignete sich nicht nur für das reichhaltige Ausflugsfahrten-Programm, sondern auch für Hauptkurse während der Vor- und Nachsaison. Auch die großräumige „Deutschland“ hatte sich im „badischen Exil“ längst akklimatisiert und bewährte sich hervorragend auf den Hauptkursen zwischen Konstanz und Überlingen. Am 23. Mai 1970 wurde anlässlich der 700-Jahrfeier der ehemaligen Freien Reichsstadt aus der „Deutschland“ die vierte „Überlingen“ seit 1895. Das Schiff verkehrte bis zum Saisonende 2005 und wurde dann  aus Altersgründen stillgelegt und verschrottet. Sozusagen als „Geburtstagsgeschenk“ wurde die ursprüngliche Antriebsanlage der „Konstanz“ gegen zwei neue Achtzylinder-Schnellläufer-Motoren des Fabrikates „Scania“ ausgewechselt, die über ein Untersetzungsgetriebe die beiden Voith-Schneider-Propeller antreiben . Auch nach dieser „Herztransplantation“ zählt das Schiff mit seiner unverwechselbar charakteristischen Silhouette nach wie vor zu den „Klassikern“ der „Weißen Flotte“. Als die nach einer Werftüberholung wieder strahlend weiß leuchtende „Konstanz“ im Frühjahr 2010 in Meersburg anlegte, schüttelten mehrere Fahrgäste ungläubig den Kopf, als sie erfuhren, dass dieses Schiff schon seit 46 Jahren auf dem Bodensee unterwegs war. Darunter befanden sich auch mehrere Hanseaten, die hinter diesem Schiff mit seinen zeitlos eleganten Proportionen einen Neubau vermuteten! Auch in seinem neuen Lebensabschnitt wird das Motorschiff „Konstanz“ noch über viele Jahre ein dankbares und unbeschwertes Ausflugspublikum an den vielfältigen Schönheiten der Bodenseelandschaft erfreuen.

(Karl F. Fritz)  

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