Doppeljubiläum
bei der "Weißen Flotte"
Motorschiffe
"Karlsruhe" und "Schwaben" seit 75 Jahren auf dem Bodensee
unterwegs
Die
"Karlsruhe" war zunächst als Ersatz für den aus dem Jahre 1888
stammenden Dampfer "Zähringen"
vorgesehen, während die "Schwaben" als erstes Dreideck-Motorschiff für
Friedrichshafen den 44 Jahre alten Dampfer
"Königin Charlotte ablösen sollte. Schlussendlich wurde aber dann
entschieden, die erst 36 Jahre alten Dampfschiffe "Stadt
Konstanz" und "König
Wilhelm" stillzulegen. Ausschlaggebend für das frühzeitige Ende
dieser beiden Schiffe waren aufwändige Instandsetzungskosten und ein verhältnismäßig
hoher Kohlenverbrauch.
Trotz
identischer Abmessungen handelt sich bei der "Karlsruhe"
und der "Schwaben" um keine ausgesprochenen Schwesterschiffe. Beide
Einheiten lassen sich anhand unterschiedlicher Merkmale auch aus größerer
Distanz leicht auseinander halten. Beim Bau der "Karlsruhe" mussten
die räumlichen Verhältnisse der aus dem Jahre 1878 stammenden Konstanzer Werft
berücksichtigt werden, weshalb der geneigte, tropfenförmige Kamin nicht fest
angenietet, sondern in einer leicht abnehmbaren Form konstruiert wurde. Von
geringerer Breite fiel gegenüber der "Schwaben" auch die
durchlaufende Kommandobrücke mit den beiden Tochterfahrständen aus. Zur
Kommandoübermittlung bei Stromausfall, wurden bei der "Schwaben" noch
drei zusätzliche Sprachrohre installiert. Die Namen für beide Schiffe standen
schon bei der Auftragsvergabe fest, ebenso die Ausrüstung mit dem sich seit
1931 auf dem Bodensee so hervorragend bewährten Voith-Schneider-Antrieb. Das
klassische Dampferheck mit den charakteristischen Propelleranbauten ging auf die
Vorstellung des bekannten Reichsbahn-Oberrates Rudolf Grassl zurück, dem die
Bauaufsicht für beide Schiffe übertragen wurde. Nach Grassls Auffassung,
sollten die neuen Bodenseeschiffe einen möglichst maritimen Eindruck
hinterlassen. Mehrere der zwischen 1932-1935 von der Bodanwerft modernisierten
Dampfschiffe, trugen ebenfalls Grassls unverkennbare "Handschrift".
Die zulässige Personenzahl wurde für beide Neubau-Motorschiffe zunächst auf
800 Fahrgäste festgelegt, die bei ungünstiger Witterung wenn auch gedrängt,
alle in geschlossenen oder überdachten Räumen untergebracht werden konnten.
Nach einem nachträglichen Krängungsversuch konnte die Personenzahl der
"Schwaben" auf 1000 Fahrgäste erhöht werden. Ursprünglich sollten
beide Schiffe schon gegen Jahresende 1936 fertiggestellt werden, was sich aber
wegen mehrerer vorgezogener Auslandsaufträge hinauszögerte . Die Endmontage
der "Karlsruhe" begann im November 1936 auf der Konstanzer Werft,
während die "Schwaben" im April 1936 auf Kiel gelegt wurde. Bei den
ersten Probefahrten im März und April 1937, mussten noch mehrere kleinere Mängel
beseitigt werden. Bei höherer Motorendrehzahl begannen sich die beiden zu
klein dimensionierten Auspufftöpfe der "Karlsruhe" zu überhitzen und
wurden deshalb kurzfristig durch eine größere Ausführung ausgewechselt.
Offiziell konnte die "Karlsruhe" am 28. April 1937 in Dienst gestellt
werden, während die "Schwaben" am 7. Mai zu ihrer Jungfernfahrt
auslief. Beide Schiffe waren mit Sechszylinder-Viertakt-Motoren der
Motorenwerke Mannheim ausgerüstet und erreichten bei 430 U/min eine Leistung
von 2 x 440 PS mit einer durchschnittlichen Höchstgeschwindigkeit von 26
Stundenkilometern.
Bis zum
Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurden beide Schiffe überwiegend für die
damals staatlich organisierten Sonderfahrten der NS-Gemeinschaft "Kraft
durch Freude" (KdF) bevorzugt und leisteten nur im Bedarfsfall Kursverkehr.
Als sich im Februar 1938 mehrere Schiffe der Friedrichshafener Flotte in
Revision befanden, leistete die "Schwaben" trotz Minustemperaturen und
niedrigem Wasserstand über mehrere Wochen Kursdienst auf der Obersee-Längsroute.
Bei einem dieser Einsätze geriet die "Schwaben" anfangs März
in einen handfesten Föhnsturm, wo das Schiff trotz niedrigen Wasserstandes und
meterhohen Wellen noch imstande war, die offenen Stationen Immenstaad und Hagnau
anzulaufen.
Die
friedliche Laufbahn beider Schiffe wurde am 1. September 1939 jäh durch den
Ausbruch des Zweiten Weltkrieges unterbrochen. Nach einer vermeintlichen
Entspannung der Kriegslage im Juni 1940, wurden die "Karlsruhe" und
die "Schwaben" wieder vereinzelt für Kurs- und Sonderfahrten
verwendet. Doch mit dem ein Jahr später erfolgten deutschen Angriff auf die
Sowjetunion, wurden beide Schiffe wegen des nun akuten Treibstoffmangels endgültig
an die Kette gelegt. Ab 1942 wurde die "Schwaben" zur Erprobung von
Unterwasser-Horchgeräten von der deutschen Kriegsmarine übernommen. Das Schiff
blieb bis kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges in Langenargen und in Kressbronn
stationiert und entging auf diese Weise den schweren Luftangriffen auf die Stadt
Friedrichshafen. Außer den Marineangehörigen und Technikern der
Atlas-Werke in Bremen, blieben für den Bordbetrieb noch vier Mann des ursprünglichen
Stammpersonals auf dem Schiff. Als sich im Jahre 1944 die Kriegslage
immer bedrohlicher abzeichnete, wurde die "Karlsruhe" aus dem
Konstanzer Hafen abgezogen und nach Unteruhldingen verlegt, wo die hohen
Pappelreihen auf dem Hafendamm zumindest gegen Westen einen gewissen Schutz vor
Angriffen durch Tiefflieger boten. Nach der Attacke auf die Schiffe "Baden",
"Höri" und "Schienerberg"
durch amerikanische Jagdflugzeuge des Typs P 51 Mustang am 24. Juli 1944 in
Ludwigshafen, wurde die "Karlsruhe" mit Tarnnetzen abgedeckt und dicht
unter Land zwischen der Marienschlucht und Bodman verankert. Beide Schiffe
wurden nach Kriegsende unverzüglich von den französischen Militärbehörden
beschlagnahmt. Die "Schwaben" erhielt den Namen "St. Corenthin"
und wurde nun unter der Aufsicht der in Lindau stationierten französischen
Marinetruppen als Erprobungsschiff weiterverwendet. Von einer Umtaufe der
als Wohn- und Büroschiff requirierten "Karlsruhe" wurde jedoch
abgesehen, was vermutlich auf einen Besuch von General Charles de Gaulle im Mai
1945 in Konstanz zurückgeführt werden kann. Schon damals äußerte de Gaulle
den Wunsch über eine baldige Normalisierung der Beziehungen zwischen dem Land
Baden und Frankreich. Die "Schwaben" wurde 1948 freigegeben und
konnte nach einer überfälligen Werftüberholung im Frühjahr 1949 wieder fahrplanmäßig
eingesetzt werden. Über die gesamte Saison 1949 verkehrte die
"Karlsruhe" noch im grauen Tarnanstrich der Kriegsjahre. Als die
"Karlsruhe" wieder für den öffentlichen Verkehr freigegeben wurde,
war die 1937 von der Deggendorfer Erbauerwerft mitgelieferte Schiffsglocke
verschwunden. Glockensignale waren damals noch ein fester Bestandteil in
der Signalordnung. In kluger Voraussicht hatte der damalige Konstanzer
Werftchef, Oberwerkmeister Held noch einige Signalglocken ausgemusterter
Dampfschiffe eingelagert, darunter auch die Glocke des ersten Salondampfers
"Baden" ex "Kaiser Wilhelm" aus dem Jahre 1871, die auf
diese Weise einen unvorhergesehenen Ehrenplatz über dem Ankerspill der
"Karlsruhe" erhielt.
Im
weiteren Verlaufe der 50er Jahre übernahmen beide Schiffe wieder die Rolle als
unangefochtene "Stars" ihrer Heimathäfen Konstanz und
Friedrichshafen. Großer Beliebtheit erfreuten sich vor allem die in sämtlichen
Reiseprospekten angebotenen Sommernachtsfahrten mit Tanz "auf dem festlich
illuminierten Saalschiff "Karlsruhe". Damals spielte noch auf
allen drei Decks jeweils eine separate Musikkapelle für jede Geschmacksrichtung
über Jazz, Klassik und Volksmusik. Gemeinsam mit dem Dampfschiff
"Stadt Überlingen" wurde die "Karlsruhe" auch für die
damals populären Verwaltungssonderfahrten wie die "Große Austria-Fahrt"
an jedem Mittwoch von Juni-September nach Bregenz, oder die freitags
stattfindende große Bodenseerundfahrt mit Aufenthalten in Lindau und Rorschach
bevorzugt.
Neben
Kurseinsätzen auf der Obersee-Längsroute galt die "Schwaben" als
beliebtes Charterschiff für Betriebsausflüge bekannter Firmen aus dem gesamten
schwäbischen Raum. In den Hochsommermonaten verging kaum ein Wochenende, wo
nicht die "Schwaben" über die Toppen beflaggt über den Bodensee
kreuzte. Den Linienverkehr bewältigten damals noch überwiegend die
Dampfschiffe "Hohentwiel"
und "Lindau" zusammen mit
dem Motorschiff "Ravensburg".
Die 1960 und 1962 in Dienst gestellten Motorschiffe "Stuttgart"
und "München" verdrängten
dann die beiden älteren Schiffe aus ihren Stammrollen. Immer häufiger waren
die "Karlsruhe" und die "Schwaben" von nun an im Kursverkehr
anzutreffen.
Als
erste Einheit dieser Generation wurden im Jahre 1965 die ursprünglichen
Sechszylinder-Dieselmotoren der "Karlsruhe" gegen zwei
Achtzylinder-Viertakt-Motoren des Fabrikates MWM mit einer Regelleistung von 2 x
400 PS ausgewechselt. Dadurch konnte die ursprüngliche Höchstgeschwindigkeit
von 25 km/h auf 27,5 km/h gesteigert werden. Seit 1966 wird die
"Karlsruhe" überwiegend für die Obersee-Längsroute bevorzugt,
was sich bis in die Gegenwart nicht mehr geändert hat. Die "Schwaben"
wurde im Jahre 1968 mit identischen Antriebsdieseln neumotorisiert. Auf beiden
Schiffen wurde im achteren Bereich ein weiterer Aufenthaltsraum ausgebaut.
Im
Winterhalbjahr 1978/79 erhielt die "Karlsruhe" neue
Voith-Schneider-Propeller und im darauffolgenden Jahr entstand auf dem
Sonnendeck der "Schwaben" anstelle des bisherigen Windschutzes ein
neuer Cafesalon. Während einer umfangreichen Generalüberholung auf der
Werft in Romanshorn wurden bei der "Schwaben" die Inneneinrichtung und
das Mobilar vollständig aufgefrischt. Nach der Verlegung des Motorschiffes
"Stuttgart" im Jahre 2006 nach Konstanz, wurde die
"Schwaben" der Lindauer Flotte zugeteilt. Die letzte größere Generalüberholung
der "Karlsruhe" erfolgte in mehreren Etappen zwischen 2003 und 2005.
Auch diese Arbeiten wurden in Romanshorn vorgenommen. Wegen einer inzwischen
wieder revidierten Brandschutzordnung, musste die originale Eichenholzvertäfelung
im vorderen Hauptdecksalon aus dem Jahre 1937 entfernt werden, was von
zahlreichen, historisch orientierten Kennern auf schmerzliche Art und Weise
bedauert wird. Unverändert geblieben ist für beide Schiffe der Obersee als
Haupteinsatzgebiet. Nicht zuletzt wegen einer fast schon legendären Zuverlässigkeit,
leisten Kapitäne und Mannschaften gerne ihren Dienst auf den beiden
Vorkriegs-Motorschiffen, die sich bis in die Gegenwart in allen Situationen
hervorragend bewährten. Mögen die beiden eindrucksvollen und einzigartigen
Zeugen vergangener Schiffbaukunst dem Bodensee noch über viele Jahre erhalten
bleiben.
(Karl F. Fritz Winter
2011/2012)