Doppeljubiläum bei der "Weißen Flotte"

Motorschiffe "Karlsruhe" und "Schwaben" seit 75 Jahren auf dem Bodensee unterwegs

Seit vielen Jahren zählen die  Motorschiffe "Karlsruhe" und "Schwaben"  zu den bevorzugten Publikumslieblingen auf dem Bodensee.  Trotz mehrfacher Modernisierungen wurden der maritime Charme und die schiffbauliche Ästhetik dieser beiden klassischen Dreideck-Motorschiffe aus dem Jahre 1937 nie ernsthaft beeinträchtigt.  Die beiden letzten, vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges erbauten deutschen Bodenseeschiffe,  haben alle politischen Wechselbäder und die sich wandelnden Verkehrsstrukturen unbeschadet überdauert. Bis auf ganz wenige Ausnahmen,  erreichte keines der früheren Dampfschiffe auf dem Bodensee ein höheres Betriebsalter wie diese beiden unverwüstlichen und zeitlos formschönen Einheiten.  Lange Zeit galten die "Schwaben" und die "Karlsruhe" als Prototypen für die Entwicklung neuer Fahrgastschiffe auf mehreren Binnengewässern in Mitteleuropa. Um mit den wachsenden  technischen und nautischen Anforderungen  Schritt zu halten, mussten  für beide Schiffe immer wieder hohe Summen investiert werden. Den immer noch tadellosen Zustand, verdanken beide Schiffe aber auch nicht zuletzt der Qualität des damals verarbeiteten Schiffbaustahls.  Nach einer abschließenden Besprechung, wo noch einmal sämtliche Einzelheiten detailliert erörtert wurden, gingen die Bauaufträge für beide Schiffe am 19. September 1935 an die Bodanwerft in Kressbronn und die Stahl- und Eisenbau-Gesellschaft nach Deggendorf an der Donau. Teilnehmer dieser Konferenz waren die beiden Direktoren der Reichsbahndirektionen Karlsruhe und Stuttgart, Professor Baumann und Reichsbahndirektor Dauner. Als maßgebende Personen des Reichsbahn-Zentralamtes in München waren Reichsbahnoberrat Rudolf Grassl und Oberinspektor Joedicke anwesend. Die beiden Bauwerften wurden durch die Direktoren Kempf von der Bodanwerft und Diplomingenieur Temple aus Deggendorf vertreten, von den zuständigen Maschinenämtern nahmen Reichsbahnoberrat Nagel (Konstanz) und Reichsbahnrat Raible (Friedrichshafen) teil. Die "Karlsruhe" war ursprünglich als Schwesterschiff der "Baden" geplant, dann aber bald  auf eine ausgewogenere Konzeption zwischen Innenräumen und der Freidecksflächen abgeändert worden. Den Schalenkonstruktionen für beide Schiffe lagen die Erfahrungswerte der 1935 in Dienst gestellten "Deutschland" zugrunde, sodass auf weitere, kostspieligen Modellversuche in der Hamburger Schiffsbau-Versuchsanstalt verzichtet werden konnte. Die Baukosten wurden für die "Karlsruhe" auf 511.000 Reichsmark veranschlagt, während für die "Schwaben" 521.000 Reichsmark aufgewendet werden mussten.

Die "Karlsruhe" war zunächst als Ersatz für den aus dem Jahre 1888 stammenden Dampfer "Zähringen" vorgesehen, während die "Schwaben" als erstes Dreideck-Motorschiff für Friedrichshafen den 44 Jahre alten Dampfer "Königin Charlotte ablösen sollte. Schlussendlich wurde aber dann entschieden,  die erst 36 Jahre alten Dampfschiffe "Stadt Konstanz" und "König Wilhelm" stillzulegen. Ausschlaggebend für das frühzeitige Ende dieser beiden Schiffe waren aufwändige Instandsetzungskosten und ein verhältnismäßig hoher Kohlenverbrauch.

Trotz identischer Abmessungen handelt  sich bei der  "Karlsruhe" und der "Schwaben" um keine ausgesprochenen Schwesterschiffe. Beide Einheiten lassen sich anhand unterschiedlicher Merkmale auch aus größerer Distanz leicht auseinander halten. Beim Bau der "Karlsruhe" mussten die räumlichen Verhältnisse der aus dem Jahre 1878 stammenden Konstanzer Werft berücksichtigt werden, weshalb der geneigte, tropfenförmige Kamin nicht fest angenietet, sondern in einer leicht abnehmbaren Form konstruiert wurde. Von geringerer Breite fiel gegenüber der "Schwaben" auch  die durchlaufende Kommandobrücke mit den beiden Tochterfahrständen aus. Zur Kommandoübermittlung bei Stromausfall, wurden bei der "Schwaben" noch drei zusätzliche Sprachrohre installiert. Die Namen für beide Schiffe standen  schon bei der Auftragsvergabe fest, ebenso die Ausrüstung mit dem sich seit 1931 auf dem Bodensee so hervorragend bewährten Voith-Schneider-Antrieb. Das klassische Dampferheck mit den charakteristischen Propelleranbauten ging auf die Vorstellung des bekannten Reichsbahn-Oberrates Rudolf Grassl zurück, dem die Bauaufsicht für beide Schiffe übertragen wurde. Nach Grassls Auffassung, sollten die neuen Bodenseeschiffe einen möglichst maritimen Eindruck hinterlassen. Mehrere der zwischen 1932-1935 von der Bodanwerft modernisierten Dampfschiffe, trugen ebenfalls Grassls unverkennbare "Handschrift". Die zulässige Personenzahl wurde für beide Neubau-Motorschiffe zunächst auf 800 Fahrgäste festgelegt, die bei ungünstiger Witterung wenn auch gedrängt, alle in geschlossenen oder überdachten Räumen untergebracht werden konnten. Nach einem nachträglichen Krängungsversuch konnte die Personenzahl der "Schwaben" auf 1000 Fahrgäste erhöht werden. Ursprünglich sollten beide Schiffe schon gegen Jahresende 1936 fertiggestellt werden, was sich aber wegen mehrerer vorgezogener Auslandsaufträge hinauszögerte . Die Endmontage der "Karlsruhe" begann im November 1936 auf der Konstanzer Werft,  während die "Schwaben" im April 1936 auf Kiel gelegt wurde. Bei den ersten Probefahrten im März und April 1937, mussten noch mehrere kleinere Mängel beseitigt werden. Bei höherer  Motorendrehzahl begannen sich die beiden zu klein dimensionierten Auspufftöpfe der "Karlsruhe" zu überhitzen und wurden deshalb kurzfristig durch eine größere Ausführung ausgewechselt. Offiziell konnte die "Karlsruhe" am 28. April 1937 in Dienst gestellt werden, während die "Schwaben" am 7. Mai zu ihrer Jungfernfahrt auslief.  Beide Schiffe waren mit Sechszylinder-Viertakt-Motoren der Motorenwerke Mannheim ausgerüstet und erreichten bei 430 U/min eine Leistung von 2 x 440 PS mit einer durchschnittlichen Höchstgeschwindigkeit von 26 Stundenkilometern.

Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurden beide Schiffe überwiegend für die damals staatlich organisierten Sonderfahrten der NS-Gemeinschaft "Kraft durch Freude" (KdF) bevorzugt und leisteten nur im Bedarfsfall Kursverkehr. Als sich im Februar 1938 mehrere Schiffe der Friedrichshafener Flotte in Revision befanden, leistete die "Schwaben" trotz Minustemperaturen und niedrigem Wasserstand über mehrere Wochen Kursdienst auf der Obersee-Längsroute. Bei einem dieser Einsätze geriet die "Schwaben"  anfangs März in einen handfesten Föhnsturm, wo das Schiff trotz niedrigen Wasserstandes und meterhohen Wellen noch imstande war, die offenen Stationen Immenstaad und Hagnau anzulaufen.

Die friedliche Laufbahn beider Schiffe wurde am 1. September 1939 jäh durch den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges unterbrochen. Nach einer vermeintlichen Entspannung der Kriegslage im Juni 1940, wurden die "Karlsruhe" und die "Schwaben" wieder vereinzelt für Kurs- und Sonderfahrten verwendet. Doch mit dem ein Jahr später erfolgten deutschen Angriff auf die Sowjetunion, wurden beide Schiffe wegen des nun akuten Treibstoffmangels endgültig an die Kette gelegt. Ab 1942 wurde die "Schwaben" zur Erprobung von Unterwasser-Horchgeräten von der deutschen Kriegsmarine übernommen. Das Schiff blieb bis kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges in Langenargen und in Kressbronn stationiert und entging auf diese Weise den schweren Luftangriffen auf die Stadt Friedrichshafen. Außer den Marineangehörigen und  Technikern der Atlas-Werke in Bremen, blieben für den Bordbetrieb noch vier Mann des ursprünglichen Stammpersonals auf dem Schiff.  Als sich  im Jahre 1944 die Kriegslage immer bedrohlicher abzeichnete, wurde die "Karlsruhe" aus dem Konstanzer Hafen abgezogen und nach Unteruhldingen verlegt, wo die hohen Pappelreihen auf dem Hafendamm zumindest gegen Westen einen gewissen Schutz vor Angriffen durch Tiefflieger boten. Nach der Attacke auf die Schiffe "Baden", "Höri" und "Schienerberg" durch amerikanische Jagdflugzeuge des Typs P 51 Mustang am 24. Juli 1944 in Ludwigshafen, wurde die "Karlsruhe" mit Tarnnetzen abgedeckt und dicht unter Land zwischen der Marienschlucht und Bodman verankert. Beide Schiffe wurden nach Kriegsende unverzüglich von den französischen Militärbehörden beschlagnahmt. Die "Schwaben" erhielt den Namen "St. Corenthin" und wurde nun unter der Aufsicht der in Lindau stationierten französischen Marinetruppen als Erprobungsschiff  weiterverwendet. Von einer Umtaufe der als Wohn- und Büroschiff requirierten "Karlsruhe" wurde jedoch abgesehen, was vermutlich auf einen Besuch von General Charles de Gaulle im Mai 1945 in Konstanz zurückgeführt werden kann. Schon damals äußerte de Gaulle den Wunsch über eine baldige Normalisierung der Beziehungen zwischen dem Land Baden und Frankreich. Die "Schwaben" wurde 1948  freigegeben und konnte nach einer überfälligen Werftüberholung im Frühjahr 1949 wieder fahrplanmäßig eingesetzt werden. Über die gesamte Saison 1949 verkehrte die "Karlsruhe" noch im grauen Tarnanstrich der Kriegsjahre. Als die "Karlsruhe" wieder für den öffentlichen Verkehr freigegeben wurde, war die 1937 von der Deggendorfer Erbauerwerft mitgelieferte Schiffsglocke verschwunden. Glockensignale waren damals noch  ein fester Bestandteil in der  Signalordnung. In kluger Voraussicht hatte der damalige Konstanzer Werftchef, Oberwerkmeister Held noch einige Signalglocken ausgemusterter Dampfschiffe eingelagert, darunter auch die Glocke des ersten Salondampfers "Baden" ex "Kaiser Wilhelm" aus dem Jahre 1871, die auf diese Weise einen unvorhergesehenen Ehrenplatz über dem Ankerspill der "Karlsruhe" erhielt.

Im weiteren Verlaufe der 50er Jahre übernahmen beide Schiffe wieder die Rolle als unangefochtene "Stars" ihrer Heimathäfen Konstanz und Friedrichshafen. Großer Beliebtheit erfreuten sich vor allem die in sämtlichen Reiseprospekten angebotenen Sommernachtsfahrten mit Tanz "auf dem festlich illuminierten Saalschiff "Karlsruhe".  Damals spielte noch auf allen drei Decks jeweils eine separate Musikkapelle für jede Geschmacksrichtung über Jazz,  Klassik und Volksmusik. Gemeinsam mit dem Dampfschiff "Stadt Überlingen" wurde die "Karlsruhe" auch für die damals populären Verwaltungssonderfahrten wie die "Große Austria-Fahrt" an jedem Mittwoch von Juni-September nach Bregenz, oder die freitags stattfindende große Bodenseerundfahrt mit Aufenthalten in Lindau und Rorschach bevorzugt.

Neben Kurseinsätzen auf der Obersee-Längsroute galt die "Schwaben" als beliebtes Charterschiff für Betriebsausflüge bekannter Firmen aus dem gesamten schwäbischen Raum. In den Hochsommermonaten verging kaum ein Wochenende, wo nicht die "Schwaben" über die Toppen beflaggt über den Bodensee kreuzte. Den Linienverkehr bewältigten damals noch überwiegend die Dampfschiffe "Hohentwiel" und "Lindau" zusammen mit dem Motorschiff "Ravensburg". Die 1960 und 1962 in Dienst gestellten Motorschiffe "Stuttgart" und "München" verdrängten dann die beiden älteren Schiffe aus ihren Stammrollen. Immer häufiger waren die "Karlsruhe" und die "Schwaben" von nun an im Kursverkehr anzutreffen.

Als erste Einheit dieser Generation wurden im Jahre 1965 die ursprünglichen Sechszylinder-Dieselmotoren der "Karlsruhe" gegen zwei Achtzylinder-Viertakt-Motoren des Fabrikates MWM mit einer Regelleistung von 2 x 400 PS ausgewechselt. Dadurch konnte die ursprüngliche Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h auf 27,5 km/h gesteigert werden. Seit 1966 wird die "Karlsruhe"  überwiegend für die Obersee-Längsroute bevorzugt, was sich bis in die Gegenwart nicht mehr geändert hat. Die "Schwaben" wurde im Jahre 1968 mit identischen Antriebsdieseln neumotorisiert. Auf beiden Schiffen wurde im achteren Bereich ein weiterer Aufenthaltsraum ausgebaut.

Im Winterhalbjahr 1978/79 erhielt die "Karlsruhe" neue Voith-Schneider-Propeller und im darauffolgenden Jahr entstand auf dem Sonnendeck der "Schwaben" anstelle des bisherigen Windschutzes ein neuer Cafesalon.  Während einer umfangreichen Generalüberholung auf der Werft in Romanshorn wurden bei der "Schwaben" die Inneneinrichtung und das Mobilar vollständig aufgefrischt. Nach der Verlegung des Motorschiffes "Stuttgart" im Jahre 2006 nach Konstanz, wurde die "Schwaben" der Lindauer Flotte zugeteilt. Die letzte größere Generalüberholung der "Karlsruhe" erfolgte in mehreren Etappen zwischen 2003 und 2005. Auch diese Arbeiten wurden in Romanshorn vorgenommen. Wegen einer inzwischen wieder revidierten Brandschutzordnung, musste die originale Eichenholzvertäfelung im vorderen Hauptdecksalon aus dem Jahre 1937 entfernt werden, was von zahlreichen, historisch orientierten Kennern auf schmerzliche Art und Weise bedauert wird. Unverändert geblieben ist für beide Schiffe der Obersee als Haupteinsatzgebiet. Nicht zuletzt wegen einer fast schon legendären Zuverlässigkeit,  leisten Kapitäne und Mannschaften gerne ihren Dienst auf den beiden Vorkriegs-Motorschiffen, die sich bis in die Gegenwart in allen Situationen hervorragend bewährten. Mögen die beiden eindrucksvollen und einzigartigen Zeugen vergangener Schiffbaukunst dem Bodensee noch über viele Jahre erhalten bleiben.

(Karl F. Fritz  Winter 2011/2012)

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