Das älteste Fahrgastschiff der Weißen Flotte am Obersee wird 80

Wenn das MS Österreich am kommenden Dienstag zur Oberseekursfahrt ausläuft, kann es auf eine 80jährige Schiffskarriere zurückblicken. 

In den Zwanzigerjahren des vorherigen Jahrhunderts dominierten noch die Schaufelraddampfer den Schiffsverkehr auf dem Bodensee. Am Untersee kamen ab 1925 die ersten motorgetriebenen Fahrgastschiffe zum Einsatz, bei denen es sich aber ausschließlich um kleinere Einheiten handelte. Die österreichische Bodenseeflotte bestand in diesen Jahren aus den Dampfschiffen Stadt Bregenz, Bludenz, Dornbirn, Feldkirch und Bezau. Das Glattdeckdampfschiff "Bezau" aus der ersten Schiffsgeneration der Bregenzer Flotte hatte zwar 1897 einen Salonaufbau erhalten, konnte aber dem aufstrebenden Tourismus an den See nicht mehr genügen. Es wurde 1926 ausgemustert und abgebrochen.
1927 bestellten die Österreichischen Bundesbahnen bei der Werft der I. Donaudampfschifffahrts-Gesellschaft in Kornneuburg ein Salonschiff für mindestens 700 Fahrgäste. Die fertig gestellten Schiffsteile wurden mit der Bahn nach Bregenz transportiert und im Trockendock zusammengebaut. Um möglichst viel geschlossenen Raum für die Fahrgäste zu gewinnen, wurde das Schiff mit einer Dieselmotoranlage ausgerüstet.
Am 11. Juli 1928 konnte das neue Schiff das Dock verlassen. Nach mehreren Probefahrten fand am 29. Juli 1928 die Schiffstaufe im Bregenzer Hafen statt, bei der das Schiff den Namen "Oesterreich" erhielt. Die Jungfernfahrt wurde zur ersten Bewährungsprobe für das neue Motorschiff. Während der Fahrt fiel einer der beiden Motoren aus und so musste sich das Schiff mit halber Kraft durch den aufgezogenen Gewittersturm nach Hause kämpfen. 


Das MS Oesterreich bei seiner Jungfernfahrt


Dann begann der Alltag für die "Oesterreich". Neben Einsätzen auf Sonderfahrten war das Schiff auf allen österreichischen Oberseekursen anzutreffen. In den Winterhalbjahren 1931/1932 und 1932/1933 wurden zur Verbesserung der Stabilität Schlingerkiele angebracht und die Galerien verbreitert. Am 01. Juni 1933 wird von den nationalistischen Machthabern in Deutschland die sog. "1.000-Mark-Strafe" verhängt, die den Reiseverkehr ins Ausland lähmte. Infolgedessen wurde Bregenz nicht mehr von Schiffen der Deutschen Reichsbahn angefahren. Die österreichische Schifffahrt beschränkte sich auf wenige Rundfahrten und eine Oberseekursfahrt ab Lindau. Meistens war MS Österreich eingesetzt, das leer nach Lindau fuhr um von dort Kursfahrten nach Konstanz zu übernehmen. 1936 wurde diese Sperre aufgehoben und der Schiffsverkehr ab Bregenz normalisierte sich.
1938 wird Österreich vom Deutschen Reich annektiert und die Schifffahrt der Österreichischen Bundesbahnen von der Deutschen Reichsbahn übernommen. Die Bregenzer Schiffe werden 1940 dem Maschinenamt Lindau unterstellt. Nachdem Lindau über eine voll ausgerüstete Werftanlage verfügt werden die Werkstätten in Bregenz geschlossen und das Trockendock zugeschüttet.

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde der Dieseltreibstoff für die Fahrgastschiffe rationiert, so dass fast nur noch die verbliebenen Dampfschiffe im Einsatz waren. MS Oesterreich lag meist untätig im Bregenzer Hafen. 1943 erhielt das Schiff zum Schutz vor Fliegerangriffen einen blau-grauen Tarnanstrich.
Im Januar 1944 wurde das Schiff von der Deutschen Kriegsmarine beschlagnahmt und als Torpedo-Versuchschiff ausgerüstet. Die vorhandene Inneneinrichtung wurde entfernt und das Schiff mit einen Torpedo-Rohrsatz und Flugabwehrgeschützen ausgerüstet. Dabei wäre die "Oesterreich" in der Bombennacht vor Friedrichshafen beinahe zerstört worden. Mit viel Glück und Geschick konnte das vor Fischbach ankernde Schiff den Bomben entgehen. Am 20. April 1945 wurde MS Oesterreich zurück nach Bregenz gebracht. Sechs Tage später wurde das Schiff bei der legendären Rettungsaktion der Lindauer Schiffe vom MB Buchhorn nach Rorschach geschleppt und schutzinterniert.
Am 17. Mai 1945 wurde MS Oesterreich von der französischen Besatzungsmacht beschlagnahmt und wieder nach Immenstaad zur dortigen Torpedoversuchsanstalt gebracht. 1946 wird das Schiff bereits als fahruntüchtiges Wrack von der französischen Marine nach Kressbronn gebracht. 1948 wird das Schiff an die Österreichischen Bundesbahnen zurückgegeben und am 18. Juni vom MS Austria nach Bregenz geschleppt.

Nachdem die Bregenzer Flotte nur noch aus den drei Schiffen "Austria", "Stadt Bregenz" und "Bludenz" besteht ist dringend ein weiteres Schiff notwendig. Nachdem die Kosten für einen Neubau zu hoch sind und ein Aufbau des "MS (Konstanz I)" nicht in Frage kommt, entschließen sich die ÖBB zum Wiederaufbau der "Oesterreich". Nach dreijährigem Umbau und Sanierungsarbeiten in der Lindauer Werft und in Bregenz konnte das MS Österreich am 25.07.1953 zu seiner zweiten Jungfernfahrt in See stechen.
In den 50er und 60er Jahren ist MS Österreich hauptsächlich im Oberseekursverkehr anzutreffen. Nach der Indienststellung von MS Vorarlberg gehen die Fahrleistungen etwas zurück und die "Österreich" wird vermehrt im Ausflugsverkehr eingesetzt. Seit der Großsanierung von MS Austria 1991/1992 und der Indienststellung vom MS Stadt Bregenz 1990 sind die Fahrleistungen von MS Österreich deutlich zurückgegangen.
Heute wird das Schiff nur noch unregelmäßig zu Kursfahrten herangezogen, wenn eines der großen Motorschiffe nicht zur Verfügung steht oder als Aushilfe auf einem deutschen Kurs. Daneben wird das Schiff noch auf einigen Sonderfahrten eingesetzt.
Im Winter 2006/2007 wurde die gesamte Motoren- und Antriebsanlage überholt und modernisiert. Eine Sanierung der Schiffsschale und der Inneneinrichtung steht noch aus und wird hoffentlich bald durchgeführt, damit das bei den Fahrgästen und den Schifffahrtsverantwortlichen beliebte MS Österreich noch lange auf dem See im Einsatz bleibt.


MS Österreich am 16.08.2003  bei der Ausfahrt aus dem Hafen von Friedrichshafen


Wir wünschen allzeit gute Fahrt!

(Bodenseeschifffahrt.de v.26.07.08)

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