Das war 2010...
Ein Rückblick auf die Bodenseeschifffahrt 2010
Unser
Jahresrückblick 2009 endete mit vielen offenen Fragen. Fragen die in diesem
Jahr beantwortet wurden, Fragen, die noch immer offen sind und neuen Fragen.
Eine Frage, die sich Anfang des Jahres stellte war: "Funktioniert eine
gemeinsame Geschäftsführung für die Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB) und den
Fährbetrieb der Stadtwerke Konstanz?" - Sie funktioniert. Seit Frühjahr
2010 führen Jörg Handreke (bisher BSB) und Stefan Ballier (bisher Stadtwerke
Konstanz) gemeinsam die Schifffahrtsbetriebe der Stadt Konstanz. Jörg Handreke
bleibt weiterhin für die Technik und den Werftbetrieb verantwortlich, Stefan
Ballier übernimmt von Kuno Werner die kaufmännische Zuständigkeit und das
Marketing.
Einen ersten Auftritt haben die beiden Geschäftsführer bei der
Unterzeichnung des Vertrages mit der Stadt Lindau, der das Ende des jahrelangen
Hafenstreits mit der Stadt Konstanz besiegelt.
Derweil entstehen in den Werften in Kressbronn und Friedrichshafen die neue
Autofähre für die Stadtwerke Konstanz und das neue Dreideck-Motorschiff für
die BSB, das im Januar als Rohbau von Fussach nach Friedrichshafen geschleppt
worden war, wo der weitere Ausbau und die Fertigstellung erfolgt.
Am 02. April beginnt die Saison für die Weiße Flotte und viele private
Schiffsbetriebe. Nach der Anlegestelle in Staad erhält die Gemeinde Altnau mit
ihrem neuen Anlegesteg einen Anschluss an die Kursschifffahrt der
Schweizerischen-Bodensee-Schifffahrt SBS. Der neue Landesteg löst den Anleger
in Immenstaad als längsten Steg am Bodensee ab.
Für die SBS wird das Jahr 2010 nach einem Jahr, geprägt von Veränderungen bei der
Geschäftsführung und Einsparungen, zu einer Bewährungsprobe. Diese meistert der
Schiffsbetrieb gut und kann damit finanziell wieder besser aufgestellt, in
die Zukunft blicken. Ab Januar 2011 wird mit Andrea Ruf erstmals eine Frau
die Geschäftsführung eines großen Schiffsbetriebes am See übernehmen und den
bisherigen Leiter und Sanierer Benno Gmür planmäßig ablösen.
Dass das Wetterglück der Bodenseeschifffahrt im Jahr 2010 nicht sehr gewogen war, zeigte sich bereits am kühlen Osterwochenende. Mehr Glück hatten die Verantwortlichen am 24. April, an dem sieben Schiffe der Vereinigten Schifffahrtsunternehmen VSU zur 39. Flottensternfahrt nach Konstanz ausliefen.
Wenige Tage
später konnte der Betrieb im neuen Hafengebäude "Welle" in Bregenz
aufgenommen werden. Mit diesem neuen Empfangsgebäude, das die Hafenkassa der
Vorarlberg Lines und ein Cafe beherbergt, endete der eineinhalbjährige Umbau
des Bregenzer Hafens. Im Winter waren der Personenmolo und der Bereich vor dem
alten Hafengebäude komplett erneuert und umgebaut worden.
Die offizielle Eröffnungsfeier fand Ende Mai mit einem Hafenfest statt.
Vier Partnerstädte hat die Stadt Konstanz. Nachdem bereits zwei Fährschiffe der Stadtwerke Konstanz mit den Namen einer dieser Städte verkehren, war es nur folgerichtig, dass eine dritte Partnerstadt Pate für die neueste Autofähre wird. Am 08. Mai fand bei strahlendem Sonnenschein die Taufe und Jungfernfahrt der Fähre "Lodi" zwischen Meersburg und Konstanz statt. Anlässlich der Festlichkeiten wird der Fährverkehr für mehrere Stunden unterbrochen, damit alle Fährschiffe an der Taufzeremonie teilnehmen, und die Gäste mit einer eindrucksvollen Flottenparade beeindrucken können.
Einige Tage
zuvor war in Friedrichshafen der BSB-Neubau das erste Mal zu Wasser gelassen
worden. Dass Wasser das beherrschende Element für ein Schiff ist, wurde am 19.
Juni deutlich. Die Schiffstaufe des neuesten Flottenmitglieds der Konstanzer
BSB-Flotte fand bei strömendem Regen am Landeplatz in Überlingen statt. Der
Taufort war nicht zufällig gewählt worden. Die alte Reichsstadt darf zum
fünften Mal die Patenschaft für ein Bodenseeschiff übernehmen. Die
Jungfernfahrt führte die neue MS
Überlingen durch den Überlinger See bis zur Insel Mainau und wieder
zurück. Der Neubau ist das größte Schiff der BSB und verkehrt im Kursverkehr
zwischen Konstanz und seiner Patenstadt Überlingen.
Ein großer Augenblick für alle Schifffahrtsfans war das Treffen bei der
Tauffeier von MS Überlingen und MS Baden. Nachdem das neue Schiff den
Kursverkehr im Überlinger See übernommen hat, wechselt die "alte
Dame" der BSB nach 75 Jahren den Heimathafen und kommt Anfang Juni nach
Lindau. Dort ist MS Baden mittlerweile
heimisch geworden und verkehrt auf Rundfahrten und Kursfahrten in die Schweiz.
Dunkle Wolken brauen sich 2010 über den Bodensee-Katamaranen zusammen. Die Schnellfähren, welche seit 2005 die Städte Friedrichshafen und Konstanz verbinden, kommen nicht aus den roten Zahlen heraus. Rund 400.000 Euro beträgt das jährliche Defizit. Guten Fahrgastzahlen im Sommer stehen schlechte Pendlerzahlen außerhalb der Saison gegenüber. Berufspendler, Schüler und Studenten klagen über die immer noch zu teuren Preise und bleiben der Schiffsverbindung fern. Auch von Seiten der Politik werden Stimmen laut, die Fährverbindung einzustellen und die Schiffe zu verkaufen. Die Verantwortlichen reagieren schnell und weisen auf die hohen Kosten einer Aufgabe des Betriebs und den Wegfall von 25 Arbeitsplätzen hin. Constanze, Fridolin und Ferdinand erhalten eine Galgenfrist. Im Jahr 2011 muss sich die Katamaran-Reederei beweisen und mit neuen Konzepten und Marketingmaßnahmen eine Verbesserung der Situation herbeiführen.
Dunkle Wolken beherrschten im wahrsten Sinne des Wortes den Sommer am Bodensee. Abgesehen von einigen heißen Wochen Anfang Juli war die Hauptsaison am Bodensee kalt und verregnet. Entsprechend war das Ergebnis bei den Fahrgastzahlen. 6-7 Prozent weniger Fahrgäste verzeichneten die Schiffsbetriebe. Daran konnten auch die guten Zahlen bei den Festspielfahrten zur Seeaufführung der Oper "Aida" in Bregenz und die Sonderfahrten zu den Seenachtsfesten nichts ändern.
Viel Regen am See und in den Bergen bedeutet viel Wasser im Bodensee. Bis auf wenige Wochen im April konnten alle Kursstrecken auf dem Bodensee und dem Rhein problemlos befahren werden. Im Juni konnte die Rheinbrücke in Diessenhofen nicht mehr unterfahren werden, worauf die Schifffahrtsgesellschaft Untersee & Rhein mit einem geänderten Fahrplan reagierte. Nach dem Schuldenerlass durch die Kantone Schaffhausen und Thurgau im Jahr 2008 und der Herabsetzung des Aktienkapitals im Jahr 2009, wurde die Sanierung des Schiffsbetriebes durch die Erhöhung des Aktienkapitals von 1,2 auf 2,3 Millionen Franken und einen Wechsel der Pensionskasse fortgesetzt. Die Erhöhung erfolgte in erster Linie durch Aktienerwerbe der öffentlichen Hand. Damit stehen der URh genug Kapital für die anstehenden Investitionen in die Flotte zur Verfügung. Schlagzeilen im "Sommerloch" machten die Vorwürfe der Arbeitsgruppe Bodenseeufer (AGBU) e. V., die durch Messungen festgestellt hat, dass die Kursschiffe der URh die Geschwindigkeitsbegrenzung von 10km/h auf dem Seerhein zwischen Konstanz und dem Untersee regelmäßig überschreiten, um den Fahrplan einhalten zu können. Diese Geschwindigkeitsübertretungen verursachen eine Ufererosion am Seerhein. Die URh verspricht ihre Fahrpläne für die kommende Saison anzupassen um zukünftig Geschwindigkeitsüberschreitungen zu vermeiden.
Zur Freude vieler Bodenseeschifffahrtsfans konnte die wiederhergestellte Auto- und Personenfähre "Meersburg ex Konstanz" im Frühjahr 2010 in den Fährhafen in Konstanz-Staad geschleppt werden. Nach einem kurzen Werftaufenthalt in Friedrichshafen, finden in Staad an der ersten Autofähre der Stadtwerke Konstanz letzte Arbeiten statt, damit das 82jährige Schiff im Frühjahr 2011 wieder in See stechen kann. Im August wurde auch der historische Fähranleger nach einer umfangreichen Sanierung wieder im Fährhafen installiert, wo er zukünftig als Technik-Denkmal zusammen mit der "Meersburg ex Konstanz" an die Anfänge des Fährverkehrs zwischen Konstanz und Meersburg erinnern soll.
Von Mitte März bis Mitte April wurde der 97jährige Schaufelraddampfer "Hohentwiel" in der SBS-Werft in Romanshorn überholt und ausgebessert. Mit neuem Anstrich konnte das Dampfschiff Ende April in die neue Schifffahrtssaison starten, die wiederum von Rund-, Dinner, Erlebnis-, Dixie- und Festspielfahrten geprägt war. 2010 jährte sich zum 20. Mal die Wiederinbetriebnahme nach der großen Restaurierung des Schiffes. Gefeiert soll aber erst 2013 werden, wenn die "Hohentwiel" ihren 100. Geburtstag feiert.
Von den privaten Schiffsbetrieben rund um den See gab es im vergangenen Jahr keine erwähnenswerten Neuigkeiten. Das schlechte Wetter machte sich auch hier bei den Passagierzahlen bei Rund- und Sonderfahrten bemerkbar. Das Dampfschiff Gustav Prym ist mittlerweile wieder in Bodman beheimatet.
Positive
Nachrichten gab es für alle Freunde von MS
Österreich im Herbst. Nachdem die "Grand Dame" der
österreichischen Flotte im Herbst 2009 in die Werft nach Fussach verlegt worden
war, fanden im Sommer 2010 umfangreiche Untersuchungen an dem 82jährigen
Schiff statt. Lange wurde gebangt, ob eine Renovierung und eine
Wiederinbetriebnahme in Frage kommt oder das Ende für die
"Österreich" gekommen ist.
Im November signalisieren die Vorarlberg Lines die Bereitschaft und das
Interesse am Weiterbetrieb des Schiffes nach einer umfangreichen Instandsetzung.
Die Entscheidung über die Zukunft der "alten MS Lindau" haben jetzt die Schneidbrenner gefällt. Seit zwei Wochen wird das ehemalige BSB-Fahrgastschiff in Fussach abgebrochen. Ein Weiterbetrieb als schwimmendes Restaurant scheiterte an den hohen Investitionskosten und einem geeigneten Liegeplatz. Nach der Ausmusterung der MS Bodman zum 30.04.2010 steht dieses Schiff ebenso wie das zweite Schiff der Motorbootgesellschaft Bodman MS Großherzog Ludwig zum Verkauf. Die "Großherzog Ludwig" war nach fünf Jahren Nutzung durch die BSB in Friedrichshafen und Lindau im Frühjahr wieder nach Bodman gekommen und hat dort den Kursverkehr zwischen ihrem Heimathafen und Überlingen übernommen. Die Zukunft dieser Schiffsverbindung ist offen.
Zur großen Erleichterung aller Verantwortlichen können wir auf eine beinahe unfallfreie Schifffahrtssaison zurückblicken. Ein Zwischenfall ereignete sich Anfang Juni in Langenargen. Das österreichische MS Stadt Bregenz prallte bei einem Anlegemanöver gegen die Mole. Grund war der Ausfall der Backbordmaschine. Durch das besonnene Handeln des Schiffsführers wurden nur wenige Fahrgäste leicht verletzt und der Sachschaden hielt sich in Grenzen.
Grund zur Sorge geben aktuell die Entwicklungen rund um die Bodan-Werft in Kressbronn. Nachdem diese noch im August 2009 zusammen mit den großen Schiffsbetrieben am See einen Werftenkooperationsvertrag geschlossen hat, war lange der Neubau einer gemeinsamen Großwerft in Kressbronn im Gespräch. Im Herbst zogen sich die Schiffsbetriebe aus dem Vorhaben in Kressbronn zurück. Jetzt droht die endgültige Schließung der traditionsreichen Schiffswerft im kommenden Frühjahr aufgrund deren finanzieller Situation.
Damit
beschließen wir den Rückblick auf das vergangene Jahr 2010. Viele Fragen
wurden beantwortet. Die alte Lindau ist bald Geschichte, die Österreich blickt
einer positiven Zukunft entgegen. Was mit den Schiffen aus Bodman geschieht
werden wir erfahren, ebenso wie es mit den Bodensee-Katamaranen weitergeht und
der ausgemusterten MS Feldkirch.
Die "Sonnenkönigin"
war wenig auf dem See zu sehen, sie wurde hauptsächlich als festliegender
Veranstaltungsort in Bregenz und Rorschach genutzt, die neuen Betreiber haben
aber bereits zufrieden stellende Ergebnisse gemeldet.
Ein Dampfschiff auf dem Rhein ist weiterhin Zukunftsmusik, ebenso eine Hebung
der "Jura". Eine der
dringlichsten Fragen ist jetzt die Zukunft der Bodan-Werft. Wir hoffen, dass die Arbeitsplätze
der Mitarbeiter erhalten werden können.
Wir bedanken uns wieder ganz herzlich bei allen Besuchern unserer Internetseite - wir konnten unsere Zugriffszahl wiederum auf über 177.000 Besucher steigern und haben in diesem Jahr die 1.000.000-Grenze überschritten. Leider ging im Frühsommer aus ungeklärten Gründen und ohne Vorankündigung unser Forum-Hoster offline womit alle Inhalte unseres alten Forums verloren gegangen sind. Unser großer Dank gilt allen, die sich auch wieder im neuen Forum aktiv am Thema Bodenseeschifffahrt beteiligen und einbringen. Es wäre schön, wenn dieses Forum genauso mit Leben (Beiträgen) gefüllt wird, wie das alte. Vielen Dank an alle Schiffsbetriebe, Medien und Freunde am Bodensee für die tolle Unterstützung und Zusammenarbeit, ohne die diese Seite nicht so aktuell sein könnte wie sie ist.
Damit starten wir in unser 12. Jahr. Wir wünschen Ihnen/Euch allen einen guten Rutsch und alles Gute und vor allem Gesundheit für das Jahr 2011 und wieder viele schöne Stunden bei gutem Wetter am Bodensee.
Florian und
Wolfgang Scholz
(Bodenseeschifffahrt.de v. 31.12.10)
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