Das zweite Leben des Motorschiffes "Höri"

Ehemalges Fahrgastschiff seit fast 40 Jahren im Besitz der Familie Hu

(Bild: Archiv Bodenseeschifffahrt.de)

Hoch und trocken fristet die einstige "Höri" seit 1978 ihr Dasein auf einer Wiese am Alten Rhein bei Gaissau. Seine Zukunft scheint noch über viele Jahre gesichert, denn die Familie Hu, kümmert sich nicht nur liebevoll um seine Gäste, sondern sorgt auch als Inhaber des Restaurants "Hu bien" sorgfältig für den Unterhalt des inzwischen 90 Jahre alten Schiffes.

Die aktive Zeit der "Höri" endete im Jahre 1969. Es war eines der letzten Schiffe der schon damals nicht mehr zeitgemäßen "Holzbankklasse". In seinen ersten Betriebsjahren war das Schiff in Radolfzelll stationiert. Es ersetzte im Jahre 1927 den altersschwach gewordenen Glattdeckdampfer "Mainau" ex "Stadt Konstanz" (II) aus dem Jahre 1858. Erbaut wurde die "Höri" von der Bodanwerft in Kressbronn. Das für 300 Personen zugelassene Schiff fand beim Publikum sofort großen Anklang. Schon wenige Wochen nach seiner Indienststellung wurde es von der Textilfabrik Schiesser für einen Betriebsausflug angemietet. Die Fahrt führte vorbei an der Insel Reichenau, dann quer über den See nach Mannenbach bis nach Öhningen. Die Landestelle Öhningen-Oberstaad war für die badischen Bodenseeschiffe Endstation. Denn aufgrund ihrer Bauweise konnten weder die 1926 erbaute "Stadt Radolfzell" noch die "Höri" die Rheinbrücken von Konstanz und Stein am Rhein passieren. Der deutsche Kursverkehr führte über Iznang, die Insel Reichenau bis nach Öhningen, wo immer ein Schiff über Nacht blieb, um am anderen Morgen den Frühkurs über die badischen Hörigemeinden bis nach Radolfzell zu übernehmen. Ab 1928 gab die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft mit den Motorschiffen "Reichenau" (I) und "Mettnau" geeignetere Einheiten in Auftrag, mit denen ein durchgehender Verkehr bis Konstanz und Stein am Rhein möglich war. Im November 1929 wurde deshalb die "Höri" nach Konstanz verlegt und von nun an nur noch im Überlinger See eingesetzt. Um überhaupt nach Konstanz zu gelangen, mussten bei der "Höri" Steuerhaus und Kamin sowie die Reling auf dem Oberdeck I. Platz demontiert werden. Gemeinsam mit dem 1928 erbauten Schwesterschiff "Mainau" verkehrte die "Höri" über das Winterhalbjahr schwerpunktmässig zwischen Konstanz und Überlingen. Während der Hauptsaison wurden beide Schiffe für Rand- und Nebenkurse verwendet. Da diese Schiffe gegenüber den neuen Großmotorschiffen wesentlich weniger Treibstoff verbrauchten, leisteten "Höri" und "Mainau" noch bis Ende 1941 Kursdienst auf dem Überlinger See.

Als sich auch am Bodensee die Kriegslage immer bedrohlicher abzuzeichnen begann, wurde die "Höri" zusammen mit den Motorschiffen "Baden" und "Schienerberg" im Frühjahr 1944 in das vermeintlich sichere Ludwigshafen verlegt. Am 24. Juli 1944 wurden die in dem kleinen Hafen vertäuten Schiffe von einem Schwarm amerikanischer Jagdbomber des Typs P 51 Mustang entdeckt und unter heftigen Bordwaffenbeschuss genommen. Bei der "Höri" wurde die Motorenanlage zerstört und die "Schienerberg" sank auf den Grund des glücklicherweise seichten Hafens. An der "Baden" wurden nicht weniger als 400 Trefferschäden festgestellt. Dank dem beherzten Eiingreifen einiger mutiger Fischer, konnten mehrere Lecks in Höhe der Wasserlinie mit Korkpfropfen provisorisch abgedichtet werden. Die "Höri" blieb zwar schwimmfähig und wurde vom damaligen Hilfsschiff "Greif" in die Werft nach Konstanz geschleppt. Doch die Schäden waren so erheblich, dass die "Höri" nach einer notdürftigen Reparatur nicht mehr in Betrieb genommen werden konnte. Bis 1949 dümpelte das Schiff untätig im Konstanzer Werfthafen. Nach abgeschlossenem Umbau des Raddampfers "München", wurde die "Höri" von der Bodanwerft instandgesetzt und vollständig modernisiert. Neben einer neuen Motorenanlage wurde der Hecksalon umgebaut und nach achtern verlängert. Durch den Ausbau des Maschinenschachtes und einem erweiterten Fahrgastraum auf dem Vorschiff konnten zusätzliche geschützte Innenplätze gewonnen werden. Dadurch hatte die "Hori" ihr Aussehen grundlegend verändert und war damit unschwer vom Schwesterschiff "Mainau" zu unterscheiden. Bedauert wurde allerdings das Fehlen des markanten Kamins, denn trotz aller Komfortverbesserung hatte die "Höri" das charakteristische Aussehen eines "Schraubendampfers" eingebüßt und glich nun eher einem großen "Motorboot". Bei der zweiten Wettfahrt um das „Blaue Band des Bodensees“ sorgte am 17. Juni 1951 die neumotorisierte „Höri“ für Furore und belegte nach der überragenden „Austria“ und dem Dampfschiff „Stadt Überlingen“ mit einer beachtlichen Geschwindigkeit von 27,5 km/h den ehrenvollen dritten Platz.

Während eines Winterkurses kollidierte die "Höri" bei dichtem Nebel am 19. Dezember 1956 vor der Landestelle Konstanz-Staad mit dem einlaufenden Fährschiff "Thurgau". Am Bug entstand erheblicher Sachschaden, mehrere Fahrgäste erlitten Prellungen und leichtere Verletzungen.

Ab 1960 war es mit den Winterkursen auf dem Überlinger See vorbei. Von nun an gab es nur noch die beiden Querverbindungen zwischen Konstanz und Meersburg und von Überlingen nach Dingelsdorf. Um die Tragkraft von 300 auf 400 Personen zu erhöhen, erhielten die „Höri“ und das Schwesterschiff „Mainau“ im Winterhalbjahr 1960/61 mittschiffs in Höhe der Wasserlinie Stabilitätswulste angebaut. Im Jahre 1964 wurde bei der „Höri“ das herkömmliche Schweberuder der Bauart Oertz durch eine Atlas Doppelruderanlage ersetzt, die sich jedoch nicht sonderlich bewährte. Nach der frühzeitigen Ausmusterung des großen Salondampfers „Stadt Überlingen“, wurde am 27. Mai 1964 die „Höri“ in „Überlingen“ umgetauft. Besonders die Überlinger waren über diese Entscheidung nicht besonders glücklich, da sie einen Namensentscheid des Ersatzschiffes „Konstanz“ auf den Namen „Überlingen“ erhofft hatten! Als im September 1964 die „Überlingen“ ex „Höri“ für den ersten Frühkurs nach Konstanz im Mantelhafen übernachtete, leisteten sich einige bis heute unbekannte Täter einen Bubenstreich und entfernten vom Schanzkleid mehrere Buchstaben, sodass aus der „Überlingen“ ex „Höri“ eine „Berlin“ wurde. Dieser Schildbürgerstreich sorgte in der lokalen Presse nicht nur für Schlagzeilen, sondern erregte auch offensichtliche Schadenfreude. Denn die „Höri“ war wesentlich kleiner, dazu noch ein Jahr älter, als der 1963 ausgemusterte, wesentlich repräsentativere Salondampfer.

Nachdem das Schwesterschiff „Mainau“ schon 1966 ausgemustert worden war, leistete die „Überlingen“ ex „Höri“ bis zum Saisonende 1967 noch sporadische Kurseinsätze auf dem Überlingersee. Im darauffolgenden Jahr wurde das Schiff nicht mehr in Betrieb genommen und zum 1. Januar 1969 aus der Flottenliste gestrichen. Damit endete die aktive Laufbahn der „Überlingen“ und ehemaligen „Höri“. Im Jahre 1970 wurde das Schiff vom Segelclub „Marina Lindau“ erworben und bis 1978 als Clubheim verwendet. Dann war die einstige „Höri“ plötzlich aus dem Lindauer Hafen verschwunden. Rein zufällig wurde das Schiff im Alten Rhein bei Gaissau wiederentdeckt. Die Familie Hu hatte die originelle Idee, die „Höri“ als schwimmendes Restaurant weiter zu betreiben. Mit viel Engagement und einer gehörigen Portion Herzblut blieb auf diese Weise das mittlerweile 90 Jahre alt gewordene Schiff auf originelle Weise der Nachwelt erhalten.

(Karl F. Fritz)

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